Sonntag, den 10. April 2011, 11:31 Uhr (veröffentlicht von Christian Hölscher) [Permalink]
Bedeutung und Hintergründe der Kreuzverhüllung
Es ist in jedem Jahr dasselbe: am fünften Sonntag der Fastenzeit, dem “alten Passionssonntag”, wird das Kreuz verhüllt. Wenn aber jemand gefragt wird, wann das Kreuz verhüllt wird, dann kommt als Antwort oft: Palmsonntag. Palmsonntag ist aber erst in einer Woche. Ist es also ein Versehen, dass das Kreuz schon heute, am 5. Sonntag der Fastenzeit, verhüllt ist? - Nein. - Aber die Verwirrung ist zum Teil verständlich, denn der eine Woche später folgende Palmsonntag ist der zweite Passionssonntag, der fünfte Sonntag der Fastenzeit wird von der Allgemeinheit oft nicht mehr als Passionssonntag wahrgenommen.
Die Tradition der Kreuzverhüllung besteht seit dem frühen Mittelalter. Wie genau dieser Brauch entstanden ist, ist nicht überliefert. Im Messbuch von 1570 wurde der Brauch offiziell: “Vor der ersten Vesper des Passionssonntages werden die Kreuze und Bilder verhüllt.” Mit den Bildern sind alle bildlichen Darstellungen wie Heiligenfiguren und Darstellungen von Kreuzen gemeint. Sie werden ab dem 5. Fastensonntag mit violetten Tüchern verhüllt. Violett ist die Farbe der Fastenzeit.
Bildhinweis: Pfarrbriefservice.de / Klaus Herzog. Bearbeitet von Christian Hölscher.
Was hat es mit der Kreuzverhüllung auf sich? Warum verhüllt man ausgerechnet in der Zeit das Kreuz, wo es doch um das Kreuz und die Kreuzigung geht? In der fünften Station des Kreuzweges findet sich eine Antwort: “Wir Menschen fürchten das Kreuz. Selbst Petrus, der Jünger Jesu, schreckte davor zurück. Und doch ist in keinem anderen Zeichen Heil außer im Kreuz.” Das Kreuz ist seit dem dritten Jahrhundert für die Christen das Zeichen der Auferstehung - und nicht so sehr des Todes. Es geht also nicht darum, die Kreuzigung “zu verhüllen”. Durch das Verhüllen des Kreuzes wird auf die Leidenszeit Jesu aufmerksam gemacht. Schon um das Jahr 1000 existierte die viel weiter reichende Tradition, den ganzen Chorraum (also der Bereich, wo der Altar steht), später nur noch den Hauptaltar, mit einem Fastentuch, einem Hungertuch zu verhüllen. Dieses “Hungertuch” wurde später mit Bildern versehen, zunächst war es nur ein schlichtes Tuch: u.a. waren darauf Motive wie die Passion und die Heilsgeschichte zu sehen. Die Motive dienten auch der Veranschaulichung, um den Gläubigen, die nicht des Lesens mächtig waren, die Heilsgeschichte näher zu bringen. So wurden aus den reich bebilderten Hungertüchern “Armen-Bibeln”. Durch die Abtrennung des Chorraums gab es eine radikale Trennung: die Messliturgie konnte von den Gläubigen nicht mehr gesehen werden, die “Messe” war nur noch zu hören - auf Latein wohlgemerkt. Von diesen Fastentüchern stammt übrigens unser Sprichwort “am Hungertuch nagen”. Im Laufe der Zeit verschwanden die Fastentücher in den Hintergrund; die Kreuzverhüllung blieb. Nach dem Zweiten Vatikanischen Konzil bekamen die Hungertücher durch die Bischöfliche Aktion “Misereor” im Jahr 1976 wieder Aufwind. Seitdem gestaltet ein Künstler alle zwei Jahre ein neues Hungertuch.
Wenn nun aber die Kreuzverhüllung so eine große Rolle hat, warum bemerken wir in der Liturgie nicht mehr so viel davon? Ein Grund mag sein, dass das römische Messbuch von 1969 diesen Brauch freistellt. Das deutsche Messbuch bestimmt: “Der Brauch, die Kreuze und Bilder in den Kirchen zu verhüllen, soll beibehalten werden. In diesem Fall bleiben die Kreuze verhüllt bis zum Ende der Karfreitagsliturgie, die Bilder jedoch bis zum Beginn der Osternachtsfeier.” (Quelle) Eigentlich wird auch die Osterkerze in die Sakristei getragen und am Ostersonntag durch die neue ersetzt.
Bei uns in der Gemeinde werden die bildlichen Darstellungen aus Tradition nicht verhüllt; lediglich das Altarkreuz der Pfarrkirche in Iggenhausen sowie das große Kreuz in der Kapelle in Grundsteinheim werden verhüllt - am Passionssonntag alter Tradition bzw. nach dem Messbuch von 1570, nicht am Palmsonntag. Der Palmsonntag hat eine Doppelfunktion: auch wenn dort die Leidensgeschichte verlesen wird, feiert die Kirche am Palmsonntag die triumphalen Ankunft Jesu in Jerusalem. Der König zieht ein. (Quelle) [Link entfernt, da nicht mehr verfügbar].